Die Bescheidene mit den ehrgeizigen Zielen

Lara Schmidt kommt als eine der größten Tennis-Hoffnungen nach Blasewitz – und entdeckt ihre sächsischen Wurzeln wieder.

SZ ROLF BECKER

Die Bestellung passt zu ihr. „Ein stilles Wasser bitte“, ordert Lara Schmidt. Die 18-Jährige ist zurückhaltend, introvertiert, bescheiden – und eben recht still. Doch auch diese Charaktereigenschaften sind es, die das Gesamt-Paket Lara Schmidt zu einem der derzeit attraktivsten im deutschen Damen-Tennis machen. Natürlich weit hinter Angelique Kerber (30) oder Julia Görges (29), den derzeit besten Spielerinnen Deutschlands.

Lara Schmidt hingegen ist ein Versprechen an die Zukunft. An eine, die sie zunächst einmal für zwei Jahre an den Zweitligisten TC Blau-Weiß Blasewitz bindet – mit einer Option für eine dritte Saison. Der größte ostdeutsche Tennisverein hat sich damit die Dienste eines der größten Talente Deutschlands gesichert. Diesen Ruf hat die im fränkischen Lauf geborene Blondine im letzten Jahr genährt. Das Jahr 2017 schloss sie als nationale Nummer eins bei den U-18-Damen ab, spielte bei den Junioren Grand Slams in Wimbledon und bei den French Open, wurde Vize-Europameisterin im Doppel (U 18) und nimmt in der aktuellen deutschen Rangliste Position 27 ein. Mit und bei dem Dresdner Verein will sie ihren nächsten Karriereschritt gehen.

Großeltern stellen Ausreiseantrag
„In drei Jahren“, sagt Lara Schmidt nach einigem Zögern, „will ich unter den Top 200 in der Welt sein.“ Ihr Trainer Günter Ganser (56) fällt ihr eilig, aber sachte ins Wort. „Da müssten wir an den Top 100 kratzen“, erklärt er. Schmidt wäre dann reif für die 1. Bundesliga – mit Blasewitz. Dieser Sprung ist Bestandteil der Option. Was aber verschlägt eine Fränkin ausgerechnet nach Ostdeutschland, vor 30 Jahren noch so etwas wie Tennis-Wüste. Der „weiße Sport“ wurde im Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) der DDR als Bonzensport verpönt und mithin nicht gefördert.

Seither ist Tennis in Dresden gewachsen – Blasewitz gilt in der Szene auch als finanziell konkurrenzfähig aufgestellt. Aber es sind neben den sportlichen auch private Motive, die Lara Schmidt hierherziehen. „Meine Mama stammt ja von hier“, sagt sie leise. Mandy Schmidt war damals sechs Jahre jung, als ihre Eltern aus Heidenau einen Ausreiseantrag in die BRD stellten, der ziemlich schnell genehmigt wurde.

Risikobereit ist auch die Nachwuchshoffnung mit den sächsischen Wurzeln. Sie beendete 2016 noch die 10. Klasse am CJT-Gymnasium in Lauf – und setzt seither voll auf die Karte Profitennis. „Ich will mal die Nummer eins in der Welt werden“, sagt Lara Schmidt. Ihr Trainer Günter Ganser glaubt, dass die 1,68 Meter große Athletin dafür gute Voraussetzungen mitbringt. „Sie will immer Tennis spielen, sie lebt das. Lara wird richtig unglücklich, wenn sie wegen einer Verletzung nicht spielen kann“, erklärt der erfahrene Tennislehrer. „Ich habe noch nie erlebt, dass ihr etwas zu hart war. Sie würde immer bis zum Anschlag gehen, das ist eine ganz wichtige Eigenschaft. Wenn dir harte Arbeit keinen Spaß macht, wirst du es nicht schaffen“, betont er.

Eine Hintertür für die ehrgeizige Athletin bleibt dennoch offen. „Ich habe für zwei Jahre eine Beurlaubung von der Schule und könnte dann in die 11. Klasse gehen und das Abi nachholen“, sagt Lara. An Plan B verschwendet sie aber keine Energie, weil Plan A viel Kraft und zunächst einmal auch viel privates Geld kosten wird. Schmidt wird nun in ihrem ersten Frauenjahr neben ihren Zweitliga-Auftritten für Blasewitz bei vielen kleineren Damenturnieren ihr Glück versuchen – maximal bis 25 000 Euro dotiert. „Es ist ein Überlebenskampf, das muss man jetzt so sagen. Man kann nicht so agieren, wie man es eigentlich möchte“, sagt Mama Mandy Schmidt, die ihre Tochter auch als Managerin vertritt.

Im Porsche-Team ist noch kein Platz
Ein Turnier im Frühjahr in Sardinien sagten die Schmidts beispielsweise ab, weil das Hotelzimmer pro Nacht 110 Euro gekostet hätte. „Wir müssen im Moment kleinere Brötchen backen“, stellt Günter Ganser sachlich fest. „Keiner geht mit dir den Weg zusammen nach oben, die wollen dich alle schon fertig haben“, ergänzt Mandy Schmidt. Vielleicht eine Reaktion darauf, dass ihre Tochter zunächst noch nicht in das Porsche Talent Team von Chefin Barbara Rittner berufen wurde, aber Laras gleichaltrige Kollegin Jule Niemeier. „Es gibt Kontakte, aber im Moment noch keine Förderung“, bestätigt Ganser. Für Mitglieder des Talente-Teams werden unter anderem Heimtrainer bezuschusst und eine enge Betreuung durch den Deutschen Tennis-Bund bei Turnieren garantiert.

„Bei uns bleibt ein Großteil an meinen Eltern hängen, die müssen das noch alles bezahlen“, sagt die neue Nummer drei in Blasewitz. Wer genau hinhört, kann bei dem Wörtchen „noch“ eine besondere Betonung herausfiltern. Klingt nach einem Versprechen an die Zukunft.

Punktspiel: Das Damen-Team des TC Blau-Weiß Blasewitz startet am Donnerstag mit einem Auswärtsspiel bei Grün-Weiß München in die Zweitliga-Saison.

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